Zeitfenster zur Wahrnehmung von Chancen im Breitbandausbau schließt sich – Lokale Energieversorger sollten die Potenziale im Bereich Telekomunikation heben
Während der Corona-Pandemie erlebte Deutschland einen außergewöhnlichen Digitalisierungsschub – vor allem im Bereich des dezentralen Arbeitens und Kommunizierens über das Internet. Homeoffice wurde für viele zum Standard. Dadurch wurde einer breiten Masse der Bevölkerung aber auch bewusst, wie groß die Defizite im Bereich des Breitbandausbaus des Festnetzes in Deutschland tatsächlich ist – gerade auch im Vergleich zu inner- und außereuropäischen Nachbarn. Das tägliche Bedürfnis nach einer stabilen Internetverbindung mit entsprechend hoher Datenrate ist im Ergebnis gepaart mit politischem Druck, die weißen und grauen Flecken der Festnetz- und Mobilfunkversorgung im Land möglichst schnell zu schließen.
Hieraus ergeben sich große Chancen und interessante Geschäftspotenziale für Stadtwerke und Regionalversorger. Dies gilt sowohl für den weiteren Ausbau eines bereits vorhandenen Geschäftsfeldes „Telekomunikation“ als auch für einen Neueinstieg in diesen Bereich über den Breitbandausbau.
Breitbandausbau attraktiv für Energieversorger
Der Bereich Telekommunikation stellt für EVU einen wesentlichen Faktor zur Kundengewinnung und -sicherung dar, denn Bündelprodukte zwischen Telekommunikationsdienstleistungen und Commodity-Lieferung minimieren die Wechselbereitschaft der Kunden und optimieren vor allem die Margen im Bestandsgeschäft der Versorger. Der Schlüssel hierzu besteht im Netzbetrieb und damit definitiv im Breitbandausbau durch die EVU. Hierin liegt nicht nur der Hebel für das Bestandsgeschäft, sondern insbesondere auch für stabile und langfristige zusätzliche Ergebnisbeiträge für die Versorgungsindustrie.
Hierfür gibt es drei Gründe:
- Sichere Renditen
Eine Vielzahl von Akteuren ist bereits im Glasfaserausbau aktiv, da digitale Netze langfristig orientierten Investoren sichere Renditen versprechen. Die Investitionsstrategie der EVU aus dem Infrastrukturausbau im Strom- und Gasnetz sowie bei Kraftwerken ist hierbei deckungsgleich und lange praktiziert. Entsprechend korrespondiert die Renditeerwartung der Shareholder an die EVU.
Die Deutsche Telekom, Vodafone und Telefónica haben angekündigt, in den nächsten Jahren mit hohen Milliardeninvestitionen ihre Netze aufrüsten zu wollen. Auch unabhängige Anbieter wie die Deutsche Glasfaser sind bereits sehr aktiv im Markt unterwegs. Ebenso bauen Energieversorger ihre Netze auf und aus und sind damit erfolgreich, wie z.B. EWE in Norddeutschland oder M-net in München.
-
Massive Nachfrage
Vor allem die vergangenen zwei Jahre der Pandemie haben gezeigt, wie erfolgsentscheidend eine zuverlässige Internetverbindung im Alltag sein kann. Die Nachfrage im Privatsektor ist ungebrochen und aufgrund zunehmender Digitalisierung besteht auch für Geschäfts- und Industriekunden der Bedarf an breitbandigen Internetanschlüssen.
Die gestiegene Nachfrage und der wachsende Datenverbrauch stützen die Notwendigkeit eines Ausbaus von Glasfasernetzen als zukunftssichere und nachhaltige digitale Infrastruktur.
-
Hohe Wachstumspotenziale existieren insbesondere im ländlichen Raum
Erst 20% der deutschen Haushalte haben Zugang zu zukunftsfähigen Glasfaseranschlüssen, die bis in die Wohnung oder ins Haus führen. Insbesondere ländliche Gebiete sind schlecht erschlossen und damit signifikant ausbaurelevant. Bislang galt dies als wirtschaftlich unattraktiv, wird aber mittlerweile durch diverse Förderprogramme kompensiert, sodass die Lücken im Investitions-Case geschlossen werden können.
Ein Engagement im Glasfaserausbau ist aufgrund der genannten Gründe insgesamt hoch attraktiv. Das Zeitfenster schließt sich jedoch in den nächsten Jahren, denn die bis heute noch nicht erschlossenen Gebiete stehen im Fokus aller bereits genannten Anbieter.
Warum sollten sich besonders Energieversorger mit dem Thema Breitbandausbau beschäftigen?
Hierfür gibt es drei zentrale Gründe:
- Mit neuen Strom- und Gasverträgen im bestehenden Rahmen ist kaum mehr Geld zu verdienen und es herrscht insgesamt ein enormer Preisdruck. Die aktuelle – und sich bereits auch auf mittelfristig Sicht abzeichnende – Lage an den Großhandelsmärkten macht dieses Geschäft noch verwundbarer. Differenzierungsmöglichkeiten sind zu gering, um sich vom Wettbewerb wirklich abzusetzen. Es ist daher Zeit, neue Einnahmequellen zu definieren.
- Insgesamt genießen regionale Energieversorgungsunternehmen aufgrund ihrer räumlichen Nähe und einer oft langjährig gewachsenen Partnerschaft ein hohes Vertrauen bei ihren Kunden, auch wenn dieses durch einen zunehmenden Wettbewerb und damit höheren Wechselbereitschaft rückläufig ist. Durch attraktive Zusatzangebote und Bündelprodukte lässt sich die Kundenbindung jedoch stärken. Gleichermaßen bieten echte Bündelprodukte, die auf der Prozess- und Systemseite integriert abgebildet sind, für EVU Kosteneinsparpotenziale. Denn aktuell werden Bündelprodukte häufig über ein einfaches Rabattsystem abgebildet, was zwar zu einer höheren Abschlussrate in beiden Produktlinien führt, allerdings auf Kosten von Margenverlusten.
Und vielleicht der wichtigste Punkt:
- Beim Ausbau der Telekommunikationsinfrastruktur hin zu Gigabitnetzen ist das Verlegen von Glasfaserkabeln zur Erschließung von Gebäuden ein erheblicher, wenn nicht sogar der größte Kostenblock.
Die umfangreiche Infrastruktur der Energiewirtschaft, wie beispielsweise Gas- oder Stromtrassen, bietet enormes Potenzial für die Erschließung unterversorgter Gebiete mit Breitbandanschlüssen. So können bei Bauvorhaben Glasfaserkabel direkt mitverlegt oder nachträglich mithilfe von speziellen Robotern in die Rohre eingezogen werden, was die Verlegekosten deutlich reduziert und den EVU einen unschlagbaren Wettbewerbsvorteil verschafft.
Energieversorger haben folglich die besten Voraussetzungen, den Glasfaserausbau aktiv mitzugestalten und diesen als dauerhafte und stabile Quelle für eine nachhaltige Rendite zu gewinnen. Ein Neu-Engagement im Telekommunikationsmarkt bzw. ein Ausbau des Bestandsgeschäfts sollte daher in jedem Fall geprüft werden.
Drei Lösungsansätze sollten betrachtet werden:
- Eigener Ausbau des Glasfasernetzes in passender Wertschöpfungstiefe
- Kooperation mit bestehenden Telekommunikationsunternehmen, z.B. über Netzzusammenschaltungen oder
- Die Beteiligung an oder Übernahme von Telekommunikationsunternehmen
Unabhängig davon für welchen der Lösungsansätze sich ein Energieversorger entscheidet: Noch haben Energieversorger die Chance, ihren Wandel zu einem Anbieter konvergenter Infrastrukturen zu gestalten und Ihr bestehendes Geschäft um ein attraktives Geschäftsfeld zu erweitern.
Gerne unterstützen wir Sie dabei, jetzt die richtigen Weichen für Ihr Unternehmen zu stellen.