Handlungsstrategien für Energieversorger zum Umgang mit dem unerwarteten Kundenzuwachs in der Grundversorgung
Die Energiepreiskrise des vergangenen Jahres hat viele Energieversorger in Deutschland vor große Herausforderungen gestellt. Insbesondere die Vertriebs- und Beschaffungseinheiten mussten sich an die neuen Gegebenheiten anpassen und langjährig erfolgreiche Strategien ad hoc verändern. Als besonderer Effekt stieg der Anteil von Kunden in der Grundversorgung teilweise drastisch an, was unerwartete Auswirkungen auf die Energieversorger hatte.
In den vergangenen Jahren waren die Absatzmengen in der Grundversorgung stabil; viele Energieversorger haben ihr Gesamtportfolio aus Bezug und Absatz strategisch und langfristig aufgebaut. Diese sorgfältige Abwägung von Preis- und Mengenrisiken wurde jedoch durch die Energiepreiskrise empfindlich gestört. Kurzfristige Marktpreisexplosionen führten zu Preisrisiken in den Portfolios. Darüber hinaus führten Insolvenzen von Versorgern bzw. Kündigungen dazu, dass Kunden ungeplant in das Portfolio ihres Grundversorgers zurückfielen und damit zu einem Mengenrisiko für die langfristige Tranchenbeschaffung wurden. Die Auswirkungen auf Preise und Mengen in den jeweiligen Portfolios sind unterschiedlich und hängen von verschiedenen Faktoren ab.
Viele Versorger waren auf den zum Teil erheblichen Kundenzuwachs in der Grundversorgung nicht vorbereitet, insbesondere nicht auf einen derart kurzfristigen Anstieg der Absatzmengen. Der zusätzliche Energiebedarf musste nun zu Extrempreisen am Markt beschafft werden, was den sorgsam aufgebauten Portfoliopreis durch diese Spontanbeschaffung stark belastete.
Eine umfassende Analyse sowie eine zeitgemäße Weiterentwicklung der bisherigen Portfoliomanagement- und Beschaffungsstrategien können hier helfen, diese neue Situation nachhaltig zu managen.
Nach der ersten Welle der Energiepreiskrise müssen EVU die Auswirkungen auf Kundenbestand und Deckungsbeiträge prüfen
Um den Herausforderungen zu begegnen, mit denen Energieversorger durch den unerwarteten Kundenzuwachs in der Grundversorgung konfrontiert sind, müssen sowohl Risiken als auch mögliche Chancen identifiziert, bewertet und geeignete Maßnahmen daraus abgeleitet werden.
Die Auswirkungen auf den Deckungsbeitrag sind je nach Beschaffungsstrategie und Portfoliopreis sehr unterschiedlich. Eine Erstanalyse der Deckungsbeiträge (hier: DB1) von SLP-Kunden ("Standardlastprofil") gibt Aufschluss über die Gesamtsituation und liefert einen ersten Eindruck über mögliche Handlungsbedarfe. Dabei werden insbesondere die aktuelle Tarifstruktur sowie der Portfoliopreis (Beschaffung/Erzeugung) des jeweiligen Energieversorgers analysiert. Wesentlich ist auch eine detaillierte Betrachtung der Kunden, die kurzfristig in die Grundversorgung gefallen sind.
Auf Basis dieser Analyse gilt es, die Situation zu bewerten und Chancen und Risiken zu identifizieren. Die verschiedenen Szenarien und Handlungsweisen lassen sich folgendermaßen skizzieren.
Szenario 1 - Positiver Deckungsbeitrag (DB1) in einem wettbewerbsfähigen Tarif:
In diesem Szenario befinden sich noch viele Kunden in wettbewerbsfähigen Tarifverträgen, die dem Energieversorger oftmals hohe Margen und damit positive Deckungsbeitrage bieten. Ziel sollte es sein, diesen für den Versorger attraktiven Zustand aufrecht zu erhalten und ein mögliches Abwandern der Kunden in die Grundversorgung zu vermeiden. Als wesentliche Erfolgsfaktoren empfiehlt sich, gezielt Anreize durch Kundenbindungsmaßnahmen zu schaffen – z.B. in Form von Treueprogrammen bzw. -prämien oder Cash Backs. Eine aktive und regelmäßige Kundenkommunikation (z.B. der guten Krisenbewältigung) unterstützt diese Ambitionen.
Szenario 2 – Negativer Deckungsbeitrag (DB1):
Ist der Deckungsbeitrag eines Energieversorgers negativ, sollten die beiden Hebel „Portfoliopreis“ und „Tarif“ genutzt und entsprechend an die Portfolio- und Beschaffungsstrategie angepasst werden. Ein wesentlicher Schritt kann beispielsweise das Upselling sein. Dies bedeutet zum einen das aktive Bewerben der eigenen Tarife bei Kunden, die sich aktuell in der Grundversorgung befinden, durch die in Szenario 1 genannten Maßnahmen. Zum anderen müssen aber auch bereits tarifgebundene Kunden systematisch angesprochen und durch entsprechend attraktive Anreize zu einem Wechsel in Tarife mit höherem Deckungsbeitrag bewegt werden.
Durch die Weiterentwicklung der Beschaffungsstrategie sowie eine vertiefende Analyse und daraus abgeleitete Maßnahmen kann der Portfoliopreis unterstützend optimiert werden.
Szenario 3 – Positiver Deckungsbeitrag (DB1) in einem nicht-wettbewerbsfähigen Tarif:
Bei rentabel beschaffter Energie kann es selbst bei Kunden in der Grundversorgung zu positiven Deckungsbeiträgen kommen. Um eine solche Situation zu nutzen und zu stärken, hat es sich aus Sicht von m3 bewährt, zunächst die jeweiligen Kundenportfolios auf Basis von Verbrauchs- und Zahlungsdaten zu analysieren. In einem zweiten Schritt folgt dann die Betrachtung der Wechselbereitschaft der grundversorgten Kunden in die angebotenen Tarife des Energieversorgers. Auf diese Weise kann die aktuell eher unsicher wirkende Situation (grundversorgte Kunden können innerhalb von 2 Wochen kündigen) ganzheitlich eingeschätzt und Risiken frühzeitig erkannt werden. Eine zielgruppengerechte Kundenansprache kann nicht nur zu einer höheren Vertriebserfolgsquote führen, sondern auch die Effizienz des Vertriebspersonals durch Zeitersparnis erhöhen.
Individuelles Chancen- und Risikoprofil als valide Basis
Eine sorgfältige Betrachtung der Kundengruppen und damit verbundenen Preis- und Mengenstrukturen kann eine valide Basis für den Umgang mit der aktuell schwierigen und unsicheren Situation für Energieversorger schaffen. Wir empfehlen daher die Erstellung eines individuellen Chancen- und Risikoprofils. Dieses hat im Zuge der Energiepreiskrise deutlich an Bedeutung gewonnen. Darauf aufbauend lassen sich konkrete Maßnahmen ableiten, um Risiken aktiv zu managen und sich bietende Chancen gezielt zu nutzen. Auf dieser Basis können sich Energieversorger aktuell und perspektivisch wieder rentabel aufstellen. Die m3 bietet in diesem Zusammenhang ein umfangreiches Leistungsspektrum für die Portfolioberatung an, welches neben den für die Beschaffung & Erzeugung relevanten Themen (Portfoliomanagement, Beschaffungsstrategien, Risikomanagement) mit Churn-Management, Up- und Cross-Selling, Kundenbindungsmaßnahmen u.v.m. auch den Bereich Vertrieb und Service bedienen kann.
Letztlich ist es entscheidend, dass Versorger sich der neuen Herausforderung stellen, diese bewerten und entsprechend proaktiv handeln, um ihre Position im Markt zu stärken und ihren langfristigen Erfolg zu sichern. Für weitere Insights und einen individuellen Beratungsansatz können Sie uns gerne kontaktieren.