Ein Wechselspiel zwischen Resilienz und Nachhaltigkeit
Aktuelle Situation und Herausforderungen
Auf einen pandemiebedingten Konjunkturabschwung folgen derzeit neue weitreichende Veränderungen in den globalen und regionalen Lieferketten. So wirken sich politische Instabilitäten, der langanhaltende Lock-down in China, aber auch ein Mangel an LKW-Fahrern sowie steigende Transportkosten aufgrund höherer Energiepreise auf wichtige Handelsrouten aus.
Darüber hinaus ist aufgrund der hohen Nachfrage in vielen Sektoren, beispielsweise der verstärkten Baumaßnahmen im Bereich der erneuerbaren Energien, eine Verknappung von Rohstoffen und Bauteilen zu beobachten. Dies führt zu einer Art Wettlauf um Materialien und Arbeitskräfte.
Trends und Maßnahmen
Erzeuger von erneuerbaren Energien suchen nach Möglichkeiten, ihre Abhängigkeit von Lieferketten zu verringern und die Widerstandsfähigkeit (Resilienz) gegenüber wirtschaftlichen Turbulenzen zu verbessern. Wir identifizierten drei Handlungsfelder, in denen diese Unternehmen ihre Abhängigkeit von Lieferketten verringern können: Materialoptimierung, Prozessoptimierung und Optimierung des Stakeholder-Managements.
- Hinsichtlich der Materialoptimierung kann die Wiederverwendung von Materialien und Komponenten (z. B. beim Rückbau einer Windkraftanlage) dazu beitragen, die Lebensdauer bestehender Anlagen zu verlängern. Re- und Upcycling von Komponenten und Materialien, z.B. die Wiederverwendung von Rotorblättern, sind Maßnahmen zur Überwindung von Versorgungsengpässen, auch wenn sie beim Bau einer komplett neuen Anlage die Lieferung von zusätzlichem Material und von neuen Komponenten nicht vollständig ersetzen können - zumindest in naher Zukunft, da die meisten Anlagen noch nicht vollständig recycelt werden können.
- Bei der Prozessoptimierung kann durch entsprechende Betriebs- und Wartungsaktivitäten (O&M) die Lebensdauer von Anlagen und Komponenten verlängert werden. Beispielsweise ermöglicht eine vorausschauende statt reaktive Wartung einer Windturbine die frühzeitige Erkennung von Verschleißerscheinungen oder kleineren Schäden an einer Turbine. Eine intelligente Lagerverwaltung unterstützt die O&M-Aktivitäten, indem Ersatzteile dort gelagert werden, wo sie am ehesten benötigt werden – anstatt an jeder einzelnen Windkraftanlage den gleichen Bestand an Ersatzteilen zu verwalten. Intelligente Lagerverwaltung geht Hand in Hand mit einem intelligenten Personalmanagement in den Bereichen Bau, Betrieb und Stilllegung/Rückbau, da die Arbeitskräfte je nach Wetterbedingungen, Störfall oder anderen kurzfristigen Ereignissen flexibel eingesetzt werden müssen. Sowohl die Verlängerung der Lebensdauer einer Anlage als auch ein flexibles Lager- und Personalmanagement können die Auswirkungen von Verwerfungen in der Lieferkette auf den Energieerzeuger abmildern.
- Im Bereich der Optimierung des Stakeholder-Managements gilt eine Diversifizierung des Lieferantennetzwerkes als wirksame Maßnahme gegen Störungen in der Lieferkette, da so die Abhängigkeit von einzelnen Lieferanten verringert werden kann. Dies ist jedoch nur möglich, wenn es mehrere geeignete Lieferanten auf dem Markt gibt (z.B. für Komponenten von schwimmenden Solarparks) und diese über ausreichend Kapazitäten verfügen, die Nachfrage zu bedienen. On- und Nearshoring tragen ebenfalls dazu bei, Lieferrisiken zu minimieren, die durch regionale und globale Ereignisse ausgelöst werden. Auch hier besteht die Herausforderung darin, geeignete Unternehmen und qualifizierte Mitarbeiter in der Region zu finden, die zudem Waren und Dienstleistungen zu wettbewerbsfähigen Preisen und in der gewünschten Qualität anbieten.
Wertorientiert und nachhaltig
Neben den oben genannten Herausforderungen in der Lieferkette etabliert sich der Trend eines "wertorientierten Lieferkettenmanagements“, bei dem Sozial-, Umwelt- und Governance-Standards im Mittelpunkt stehen. Ein Beispiel dafür ist die EU-Lieferkettenverordnung, die sicherstellen soll, dass Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten und mehr als 150 Millionen Euro Jahresumsatz Menschenrechts- und Umweltschutzstandards einhalten, um ein gerechteres und nachhaltigeres Wirtschaften zu fördern. Laut der Verordnung, die sowohl Waren als auch Dienstleistungen umfasst, werden Unternehmen für die gesamte Wertschöpfungskette verantwortlich gemacht, einschließlich direkter und indirekter Zulieferer.
Ein weiterer Nachhaltigkeitsstandard für Lieferketten ist die ESG-Berichterstattung, die mehr Transparenz schaffen soll über Organisation und Unternehmensführung eines Unternehmens. Das umfasst auch dessen Auswirkungen auf Gesellschaft und Umwelt.
Es handelt sich zwar um einen freiwilligen Berichtsstandard über CO2-Emissionen, die Nutzung von Umweltressourcen, die Behandlung von Mitarbeitenden und Lieferanten, politisches Engagement, interne Vielfalt usw. Für börsennotierte Unternehmen wie die großen europäischen Erzeuger von erneuerbaren Energien ist die ESG-Berichterstattung heutzutage jedoch fast unverzichtbar, um entsprechende Investitionsempfehlungen am Finanzmarkt zu erhalten.
"Wertorientiertes Wirtschaften" und Nachhaltigkeit sollten daher nicht als zusätzliche Kostenfaktoren betrachtet werden, sondern als wesentliche Voraussetzungen für profitable und langfristige Geschäftsmodelle eines Unternehmens.
Informationsmanagement
Die oben genannten Maßnahmen zur Bewältigung von Herausforderungen im Lieferketten-Management sind ohne entsprechendes Informationsmanagement nicht denkbar. Für eine erfolgreiche Optimierung des Material-, Prozess- und Stakeholder-Managements müssen Unternehmen nicht nur ihre Anlagen genau kennen - Anlagentypen, verbaute Materialien und Komponenten (Original- und Ersatzteile), Materialverschleiß, Wiederverwertbarkeit von Bauteilen etc. -, sondern auch ihre Prozesse (wann wurde die Windkraftanlage das letzte Mal gewartet und welche Teile wurden repariert bzw. ausgetauscht?) und ihr Stakeholder-Netzwerk (welcher Lieferant kann mir in Spanien kurzfristig Solarpaneele in der geforderten Qualität bereitstellen?). Dies ist ein komplexes, aber nicht unmögliches Unterfangen. Es gibt sehr hilfreiche organisatorische Ansätze und unterstützende IT-Systeme, um das Unternehmen widerstandsfähiger und intelligenter zu machen.
Kontaktieren Sie uns! Wir freuen uns darauf, mehr über Ihre Herausforderungen zu erfahren und gemeinsam Lösungen zu finden, die am besten zu Ihren Zielen für ein nachhaltiges Wirtschaften passen.