Hürden und Lösungsansätze beim Einstieg in neue Geschäftsfelder für Telekommunikationsunternehmen.
Um sinkenden Margen und steigendem Wettbewerbsdruck entgegenzuwirken, suchen Telekommunikationsanbieter immer häufiger den Einstieg in neue Geschäftsfelder abseits des Connectivity-Kerngeschäfts. Trotz guter Voraussetzungen, gestaltet sich dieser Schritt in der Praxis vieler Unternehmen oft schwierig, weil ihnen Erfahrung bei der Bearbeitung und Entwicklung neuer Geschäftsfelder fehlt. Wir zeigen Hürden und Erfolgsfaktoren den Aufbau neuer Geschäftsmodelle im Telco-Umfeld.
Die Wettbewerbssituation im Telco-Kerngeschäft hat sich in den letzten Jahren zunehmend verschärft. Hohe Investitionskosten und ein starker Preisdruck durch z.B. Service Provider oder Light MVNOs drücken auf die Margen. In der Folge müssen Telekommunikationsanbieter ihr Geschäft zukunftsfähig gestalten, wenn sie weiterhin erfolgreich sein wollen. Neben der effizienteren Gestaltung bestehender Geschäftsprozesse (vgl. Artikel 1) bietet der Einstieg in neue Geschäftsmodelle und Services Möglichkeiten, neues Wachstum und Umsatzpotenziale in bestehenden und neuen Kundenumfeldern zu generieren.
Ultra High Speed als Basis für neue Revenue Streams
Speziell im Umfeld ultraschneller Breitbandtechnologien, wie 5G-Netzen und Glasfaser, entstehen für Telco-Unternehmen gerade zahlreiche neue Möglichkeiten zur Monetarisierung von Fest- und Mobilfunk Netzen. Das gilt insbesondere für den B2B-Bereich, wo über verschiedene Branchen hinweg gerade eine Vielzahl neuer IoT-Use Cases, etwa im Bereich autonomes Fahren, digitales Gesundheitswesen oder Industrie 4.0 aufkommen. Neben der traditionellen Strategie, mehr Datenvolumen anzubieten, ergeben sich dabei für Telco-Unternehmen weitere interessante Geschäftschancen. Diese lassen sich in drei wesentliche Kategorien unterteilen:
- Bereitstellung einer privaten 5G-Infrastruktur:
Industrielle Campusnetze sind die Voraussetzung für hochautomatisierte Industrieanwendungen. Planung, Implementierung, Betrieb und Absicherung industrieller 5G-Campusnetze werden daher zu einem zentralen Leistungsangebot für Telekommunikationsunternehmen im Geschäftskundenbereich.
- Überwachung, Analyse und Optimierung bestehender Infrastrukturen:
Telekommunikationsanbieter steigen zunehmend in das Geschäft mit datenbasierten Lösungen für verschiedene Branchen ein. Dazu gehören beispielsweise Predictive Maintenance, begleitende Überwachungs- und Beratungsleistungen zur Sicherung und Weiterentwicklung der Stabilität und Verfügbarkeit von Netzen, Telematik- und ähnliche Anwendungen.
- Weiterführende datenbasierte Geschäftsmodelle:
Für Anwendungsfälle wie das autonome Fahren ist eine ultraschnelle, hochverfügbare und skalierbare Datenübertragung unerlässlich. Mit dem geplanten Mobilitätsdatengesetz muss zukünftig die Echtzeitverfügbarkeit von Mobilitätsdaten sichergestellt werden. Der mit der Erfassung von Bewegungsdaten verbundene erhöhte Datenverkehr muss bewältigt werden und führt zu einem erhöhten Bedarf an robusten und zuverlässigen Datenübertragungskapazitäten (5G).
Günstige Voraussetzung für Telco-Unternehmen
Telekommunikationsunternehmen verfügen über optimale Voraussetzungen, um diese Geschäftsfelder erfolgreich zu besetzen. Als Infrastrukturpartner für die Datenübertragung und Schlüsselakteure im IoT-Ökosystem sind sie bereits heute in der einen oder anderen Form an der Umsetzung der oben genannten Anwendungsfälle beteiligt und verfügen damit über einen privilegierten Marktzugang. Darüber hinaus verfügen Telco-Unternehmen in der Regel über umfangreiche Erfahrungen in der Datenverarbeitung. Telco-Unternehmen generieren bereits heute große Mengen wertvoller Daten, darunter detaillierte Kundenprofile, Inhaltspräferenzen, Nutzungsverhalten von Geräten, Netzwerken, Standorten, Sensoren und Apps. Ihre Aufgabe besteht darin, jede dieser Datenkategorien zu erfassen, zu verarbeiten, zu speichern und zu analysieren. Daher müssen sie in der Lage sein, aus statischen und dynamischen Daten schnell Erkenntnisse und Anwendungen zu gewinnen.
Hürden für den Einstieg in neue Geschäftsmodelle
Dennoch ist der Einstieg in neue Geschäftsfelder in der Praxis oft herausfordernd. Die Gründe dafür sind vielfältig und hängen unter anderem von der Art und Größe des Unternehmens ab. Häufige Hürden sind allerdings die Folgenden:
- Organisation und struktureller Umbau
Anpassungen im bestehenden Geschäftsmodell bzw. die Einführung neuer Geschäftsmodelle bedeuten in der Regel einen hohen Umstrukturierungsaufwand aufgrund der Vielzahl von Schnittstellen, die angepasst werden müssen. Dies gilt sowohl für die einzelnen Organisationseinheiten als auch für die IT-Landschaft.
- Mindset Change und innere Widerstände
Die Neuausrichtung oder Erweiterung des bestehenden Geschäftsmodells greift tief in das Selbstverständnis der Organisation und ihrer Mitarbeiter ein. Dies führt häufig zu internen Widerständen gegen Veränderungen und zu Verzögerungen, da die meiste Energie in den Schutz des bestehenden Geschäftsmodells investiert wird.
- Neue Rolle im Ökosystem
Die Erweiterung des bestehenden Geschäftsmodells verändert oft die Position innerhalb des Ökosystems oder erfordert neue Formen von Kooperationen, für die in der Organisation bislang Regeln, Strukturen und Erfahrungswerte fehlen.
- Fehlendes Domänenwissen
Der Wandel vom Branchen-agnostischen Verkauf von Connectivity hin zu kundenindividuellen Beratungsleistungen erfordert den Aufbau von spezifischem Domänenwissen bzw. Branchenexpertise.
Schaffen es Unternehmen nicht, diesen Risiken bzw. Hürden effektiv zu begegnen, droht sich der Einstieg in neue Geschäftsmodelle zu verzögern oder gar zu vollständig zu scheitern.
Erfolgsfaktoren für eine erfolgreiche Geschäftsmodellerweiterung
Die Geschäftsmodellerweiterung ist eine komplexe Herausforderung, die sorgfältig geplant und umgesetzt werden muss. Unternehmen, die diese Herausforderung erfolgreich meistern, können sich einen Wettbewerbsvorteil verschaffen und ihre Zukunftsfähigkeit sichern.
Um mögliche Fallstricke beim Einstieg in neue Geschäftsmodelle zu überwinden, sollten Unternehmen nach ihren individuellen Bedürfnissen die passende Strategie entwickeln. Folgende Erfolgsfaktoren sind dabei entscheidend:
- Kundenzentrierung: Der Kunde muss im Mittelpunkt aller Überlegungen stehen. Die Bedürfnisse und Wünsche der Kunden müssen bekannt sein.
- Innovation: Unternehmen müssen in Innovation investieren, um neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln, die dem Kunden einen Mehrwert bieten.
- Partnerschaften: Unternehmen können neue Produkte und Dienstleistungen anbieten oder ihre bestehenden Geschäftsmodelle durch Partnerschaften mit anderen Unternehmen erweitern.
Verschiedene Telekommunikationsunternehmen haben bereits Schritte in Richtung der Erweiterung ihrer bestehenden Geschäftsmodelle unternommen:
- Deutsche Telekom: Die Deutsche Telekom hat ihr Geschäftsmodell durch die Einführung neuer Produkte und Dienstleistungen wie Cloud-Computing, Internet of Things und Smart Home erweitert.
- Vodafone: Vodafone hat sein Geschäftsmodell durch die Übernahme von Unternehmen in anderen Branchen wie dem Medienbereich erweitert.
- Telefónica: Telefónica hat sein Geschäftsmodell durch die Einführung neuer Geschäftsmodelle wie Telemedizin und Online-Banking erweitert.
Fazit
Im Zusammenhang mit ultraschnellen Breitbandtechnologien ergeben sich für Telekommunikationsunternehmen interessante Möglichkeiten zur Erweiterung ihres bestehenden Geschäftsmodells. Als Infrastrukturpartner für die Datenübertragung und durch ihren Zugang zu vielfältigen Kundendaten verfügen sie über die notwendigen Voraussetzungen, um neue Geschäftsmodelle entwickeln zu können. Allerdings sehen sich die Unternehmen dabei einer Reihe von Hürden und Herausforderungen gegenüber. Um dennoch die Potenziale neuer Revenue Streams heben zu können, sollten Unternehmen sich frühzeitig mit maßgeschneiderten Strategien zur Geschäftsmodellentwicklung auseinandersetzen, um den Zeitpunkt der Marktbesetzung bestimmter Geschäftsfelder nicht zu verpassen.