Wie so oft in der Entwicklung von IT-Technologien, sind Consumerthemen kommende Trends in der Industrie. So sind die beiden Schwestertechnologien Virtual Reality und Augmented Reality zwei Lösungen, welche sich aktuell im Consumer-Markt durchsetzen. Sei es in der Spiele- oder in der Freizeitindustrie. Wer erinnert sich nicht an den Hype um „Pokemon Go“? Vorreiter und Treiber sind hierbei Apple und Google als Hauptakteure im Mobile Device Markt.
In der Industrie sieht man insbesondere in den Bereichen Instandhaltung und Logistik ein enormes Potenzial für diese Technologien. Dies wird zwar durch zahlreiche Piloten und Proof of Concepts gezeigt, dennoch findet die produktive Nutzung von VR/AR-Anwendungen nur vereinzelte Anwendung. Doch woran liegt diese Trägheit in der Ausbreitung?
Ist die Technologie einfach zu neu?
Nein, schon seit über 20 Jahren gibt es Head-Mounted Displays mit Augmented Reality Anwendungen. Diese Geräte waren natürlich bei weitem nicht ausgereift, haben jedoch schon Möglichkeiten dieser Darstellungsform aufgezeigt. Erstmals populär wurde das Thema mit der Vorstellung der Google Glass im Jahr 2012. Vorherrschende Zielgruppe dieser Datenbrille war jedoch nicht die Industrie, einer der Gründe für den Flop. Aktuell kommen immer wieder neue und bessere AR-Brillen auf dem Markt, die das Potential haben die Entwicklung voranzutreiben. Vollständig ausgereift sind diese Systeme, insbesondere die benötigte Software, natürlich noch nicht. Wie soll man als Unternehmen jedoch mit dieser ambivalenten Situation umgehen? Im Folgenden möchte ich zwei Szenarien für Unternehmen darstellen, um der Situation zu begegnen:
Szenario 1:
Die Unternehmen warten ab, bis ein ganzheitliches, voll ausgereiftes System am Markt verfügbarund etabliert ist.
Wie würde ein solches System aussehen? Der gesamte Instandhaltungsprozess ist AR-unterstützt. Der Techniker bekommt die durchzuführenden Arbeitsschritte über eine virtuelle Darstellung vermittelt. Das ist jedoch nur der Kernprozess. In einem solchen System muss natürlich das gesamte Spektrum Industrie 4.0 implementiert sein. Dabei werden die instand zuhaltenden Anlagen vollständig im Rahmen von IoT kommunizieren, so dass der Instandhaltungstechniker nur die notwendigen Arbeiten durchführen muss. In diesem Schritt darf natürlich auch eine ausgereifte künstliche Intelligenz nicht fehlen, um permanente Optimierungen der Instandhaltung sicherzustellen.
Ein solcher ganzheitliche Ansatz hat definitiv Vorteile, die aus den Synergien zwischen den einzelnen Ansätzen hervorgehen. Der Stand der Technik ist jedoch bei weitem nicht so weit. Also stellt sich die Frage, in welchem Zeitrahmen ein Unternehmen in diesem Szenario die Innovationen umsetzen kann. Sehr optimistisch geschätzt haben wir ein solches System vielleicht in den nächsten 5 bis 10 Jahren. Aber wie ist dann mit allen bis dahin neu aufkommenden Technologien umzugehen? Die müssen natürlich ebenfalls integriert werden. Die Schwierigkeit ist, den richtigen Zeitpunkt für den Einstieg abzupassen, an dem die Technik implementiert wird, um keine entscheidenden Wettbewerbsvorteile zu verschlafen.
Szenario 2:
Die heute bestehenden AR Lösungen implementieren und in der Zukunft, in weiteren Iterationen, zu einem ganzheitlichen System weiterentwickeln.
Es existieren aktuell einige Anwendungen die zwar noch nicht endgültig ausgereift, für eine produktive Nutzung jedoch ausreichend entwickelt sind und jetzt schon ein Optimierungspotenzial der Prozesse mit sich bringen. Ein klassisches Beispiel für eine erste Umsetzung wäre ein AR-unterstützter Remote Support. In einem System, bestehend aus der Microsoft HoloLens und der entsprechenden Skype-Version, lässt sich ein solcher Anwendungsfall schnell umsetzen. In diesem Use-Case wird die herkömmliche Videotelefonie mit Hilfe von Augmented Reality dargestellt. Es wird der Gesprächspartner in einem Fenster angezeigt, welches frei im Raum zu platzieren ist. Der eigentliche AR-Aspekt kommt jedoch hauptsächlich mit den Zusatztools zum Tragen. Es können beispielsweise Freihandzeichnungen, Pfeile und Dokumente in die AR-Umgebung eingebracht werden. Ein Experte im Back Office kann so dem Techniker vor Ort sehr genau eine Situation oder Arbeitsanweisung beschreiben. Dieses System ist out-of-the-box funktionsfähig und bringt bereits ein erhebliches Potenzial in der Unterstützung vonAußendiensttechnikern mit sich. Ein weiterer Anwendungsfall, der in den operativen Instandhaltungsprozess deutlich stärker eingreift, ist eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, welche einen Techniker mit Hilfe von AR-Darstellungen durch den Arbeitsprozess führt. Durch diese Darstellung der einzelnen Arbeitsschritte werden der gesamte Prozess gesteuert und herkömmliche Anleitungen ersetzt. Auch für diesen Anwendungsfall gibt es einige Plattformen, die eine derartige Umsetzung ermöglichen.
Diese und andere Anwendungen können als Ausgangspunkt dienen, um Schritt-für-Schritt das Gesamtsystem auszubauen und weitere Potenziale zu nutzen. Das Unternehmen kann dabei nicht nur schon heute von AR-Innovationen profitieren, sondern sich gleichzeitig mit der Technologie vertraut machen und so beste Voraussetzungen für die nächsten Entwicklungsschritte schaffen.
Nach meiner Meinung wird und sollte sich die Verbreitung von Augmented Reality beschleunigen. Täusche ich mich in dieser Hypothese und das Potenzial ist nicht ausreichend, um diese Technologie effektiv einzuführen? Ihre Meinung würde mich interessieren.