
#1 Kundenservice
Das KI-optimierte Stadtwerk: Potenziale und Umsetzungspfade für den Einsatz von KI im Kundenservice von Stadtwerken und EVU
Teil 1
In einer gemeinsamen Studie untersuchen m3 und das Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik IPK, wie Stadtwerke und EVU KI-Lösungen entlang ihrer Wertschöpfungsprozesse gewinnbringend einsetzen können. Teil 1 der Artikelserie beleuchtet mögliche Einsatzfelder, Potenziale und Grenzen von KI im Rahmen des Kundenservice.
Kaum ein Bereich der Energiewirtschaft wird so häufig mit KI-Lösungen in Verbindung gebracht wie der Kundenservice. Dies hängt vor allem mit zwei parallelen Entwicklungen zusammen: Zum einen sorgen neben den bis heute anhaltenden Auswirkungen der Energiekrise vor allem immer komplexere Dienstleistungen, etwa im Prosumer-Umfeld, für einen erhöhten Informations- und Beratungsbedarf auf Kundenseite. In der Folge verzeichnen viele Stadtwerke und EVU einen massiven Anstieg des Kontaktvolumens über nahezu alle Kanäle im Kundenservice. Zum anderen wurden viele Kundenservice-Einheiten in den letzten Jahren immer weiter verschlankt und auf Effizienz getrimmt, um die Cost-to-Serve (CtS) zu optimieren, was heute zu Ressourcenengpässen führen kann. In Kombination mit dem zunehmenden Fachkräftemangel führt dies dazu, dass das aktuelle Volumen an Kundenanfragen derzeit oft nicht bewältigt werden kann.
Die Folge: Neben finanziellen Einbußen durch steigende Cost-to-Serve führt ein erhöhtes Kundenkontaktaufkommen meist auch zu sinkender Kundenzufriedenheit durch lange Warte- und Antwortzeiten sowie zu Überlastung und Unzufriedenheit bei den Mitarbeitenden der EVU.
Was leisten KI-Lösungen im Kundenservice?
Vor diesem Hintergrund versprechen sich viele EVU eine wirksame Entlastung durch den Einsatz von KI-Lösungen im Rahmen ihrer Kundenkommunikation. Insbesondere Large Language Models (LLMs), die in der Lage sind, in natürlicher Sprache zu kommunizieren und so beispielsweise in Form von Chatbots direkt mit KundInnen zu interagieren, sei es bei Fragen zu Tarifen, Verträgen oder technischen Anliegen, bieten hier große Potenziale. Richtig eingesetzt können so Antwortzeiten deutlich verkürzt, Mitarbeitende wirksam entlastet und Kapazitäten für die Bearbeitung besonders beratungsintensiver Produkte freigesetzt werden. Weitere mögliche Einsatzfelder für LLMs und andere KI-Lösungen liegen beispielsweise in der automatisierten Erstellung von Kundenanschreiben.
Automatisierungsgrad und Einsparpotenziale realistisch bewerten
Gleichzeitig stehen viele Energieunternehmen bei der Einführung von KI-Lösungen im Kundenservice vor Herausforderungen. Neben technischen Aspekten betrifft dies vor allem die Frage, welche KI-Anwendungsfälle einen echten Mehrwert für das Unternehmen bringen und welcher Automatisierungsgrad realistisch ist. Genau hier setzt die gemeinsame Studie von m3 und Fraunhofer IPK an:
Ziel der Untersuchung war es, effektive Anwendungsfälle für KI im Kundenservice der Energiewirtschaft zu identifizieren und einen realistischen Automatisierungsgrad durch diese näher zu beleuchten. Ein zentrales Instrument zur Bewertung der Potenziale ist dabei der "KI-Score". Dieser setzt sich aus dem möglichen Mehrwert und den Einsatzmöglichkeiten von KI zusammen und zeigt auf, welcher Automatisierungsgrad für einen Use Case realistisch erreicht werden kann. Der Score wurde auf Basis von Expertenbefragungen feingranular für verschiedene Tätigkeiten im Kundenservice ermittelt. Daraus ergeben sich auch Prognosen für Kosteneinsparungen, die je nach Automatisierungsgrad variieren können und für verschiedene Szenarien berechnet wurden.
Im Rahmen der Studie wurden zwei Aktivitäten detailliert untersucht: Die schriftliche und die telefonische Kundenbetreuung. Für beide Bereiche wurden mögliche technische Lösungen mit LLMs skizziert, Chancen und Risiken erarbeitet und aktuelle kommerzielle Lösungen identifiziert. Um diese Ergebnisse zu verifizieren und zu verbessern, wurden anschließend vertiefende Workshops durchgeführt, in denen FachexpertInnen ihre Sicht und den aktuellen Stand aus Sicht der Stadtwerke einbrachten.
Implementierungspfade für den erfolgreichen KI-Einsatz im Kundenservice
Ein zentraler Aspekt bei der Einführung von KI-Lösungen im Kundenservice ist die Qualität der Interaktion zwischen KI und KundInnen, die entscheidend für die Akzeptanz dieser Technologien ist. Insbesondere bei KI-Lösungen, die eine kontinuierliche Interaktion (z. B. Konversation) mit dem NutzerInnen unterstützen, hängt diese davon ab, dass die KundInnen die Gesprächstiefe als angemessen empfinden. Sie sollten nicht das Gefühl haben, mit einem FAQ-Automaten zu interagieren, sondern spezifische Informationen erhalten. Die Antworttiefe der ersten Generationen von Chatbots war oft nicht zufriedenstellend, was zu einer schlechten User Experience und geringer Nutzerakzeptanz führte.
Eine Voraussetzung für den Erfolg solcher Systeme ist daher die Nutzung von spezifischen Informationen und Kontextwissen, um generische Kundeninteraktionen zu vermeiden. Die Bereitstellung von zusätzlichem Wissen für KI-Lösungen oder LLMs beeinflusst die Wahl der Implementierungsart. Im Wesentlichen können drei Arten der Umsetzung unterschieden werden:
- Prompt Engineering (geringer Aufwand)
Anwendung eines bestehenden LLM ohne Anpassung vorzunehmen und nur mit den Eingaben zu beeinflussen.
- Retrieval Augmented Generation (mittlerer Aufwand)
Hybrider Ansatz, bei dem einem bestehenden LLM zusätzliches Kontextwissen in Form von ausgewählten Daten in Form einer Datenbank zur Verfügung gestellt werden.
- Fine-tuning (hoher Aufwand)
Aufbau, Anlernen und laufende Anpassung eines eigenen LLM.
In der Praxis entscheiden sich Unternehmen in der Energiewirtschaft häufig für den RAG-Ansatz (Retrieval Augmented Generation), da dieser durch spezifischen inhaltlichen Kontext zu guten individuell wahrgenommenen Ergebnissen führt.
Fazit
Der Kundenservice ist nicht zufällig der Bereich, in dem Energieunternehmen bereits die intensivsten Erfahrungen mit KI-Lösungen gesammelt haben. Hier treffen steigende Bedarfe der EVU auf hohe Potenziale durch den Einsatz von KI, beispielsweise bei der automatisierten Bearbeitung von Kundenanfragen durch Chatbots. Der Kundenservice ist daher prädestiniert für Einstiegsprojekte, mit denen Unternehmen erste Erfahrungen im Umgang mit KI sammeln, schnell sichtbare Mehrwerte generieren und so die Akzeptanz in der Organisation erhöhen können. Hinzu kommt, dass gerade in diesem Bereich bereits eine Vielzahl kommerzieller Werkzeuge am Markt verfügbar ist, die den Einstieg erleichtern. Unternehmen sollten jedoch darauf achten, die für ihre Anforderungen passende Umsetzungsform zu wählen. KI-ExpertInnen mit einem tiefen Verständnis der Branchenprozesse wie m3 können hier unterstützen.
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