Open Access
Schlüssel zur Beschleunigung des Glasfaserausbaus?
Die Digitalisierung schreitet weltweit voran, und damit wächst auch der Bedarf an schnellen Internetverbindungen stetig. In Deutschland hat sich die Bundesregierung mit der Gigabit-Strategie ambitionierte Ziele gesteckt: Bis 2025 sollen mindestens 50 Prozent aller Haushalte einen Glasfaseranschluss haben; spätestens ab 2030 soll Glasfaser flächendeckend überall dort verfügbar sein, wo Menschen leben, arbeiten und unterwegs sind.
Doch trotz dieser Pläne hinkt Deutschland im internationalen Vergleich noch immer hinterher. Nach der Breko-Marktanalyse aus Juni 2024 liegt die Ausbauquote (Glasfaser bis zur Grundstücksgrenze verlegt) zwar bei ca. 43 Prozent – der Anteil der angeschlossenen Haushalte jedoch nur bei 22,8 Prozent. [1]
Herausforderungen beim Ausbau
Die Gründe für den schleppenden Ausbau sind vielfältig und reichen von technischen, über wirtschaftliche bis hin zu strukturellen Ursachen:
- Langwierige Freigabeprozesse und Verfügbarkeit von Bauunternehmen:
Bevor Glasfaseranschlüsse verlegt werden können, müssen entsprechende Baufirmen und ExpertInnen für die Tiefbauarbeiten gefunden und die notwendigen Genehmigungen bei den Kommunen eingeholt werden.
- Fachkräftemangel & gestiegene Kosten im Tiefbau:
Laut einer WIK-Studie entfallen 80 bis 90 Prozent der Ausbaukosten auf den Personal-, Material- und Maschineneinsatz beim Tiefbau. Verzögerungen und Kostensteigerungen beim Tiefbau wirken sich daher erheblich auf die Ausbauprojekte aus.
- Konkurrierende Ausbauinitiativen:
AnbieterInnen teilen sich nicht nur die bestehende Leerrohrinfrastruktur, sondern legen teilweise eigene Glasfasertrassen. Dieser Überbau der bestehenden und nutzbaren Infrastruktur führt zu mehrfachen Baumaßnahmen, einem Ringen um Ressourcen bei Tiefbauunternehmen, erhöhtem Genehmigungsaufwand und einer Belastung der Anwohnenden.
- Teilweise mangelnde Nachfrage bei Nutzenden:
Durch Technologien wie Vectoring liefern bestehende Kupferleitungen für die NutzerInnen ausreichende Übertragungsgeschwindigkeiten. – eine Notwendigkeit zum Umstieg auf die Glasfaser wird daher nicht gesehen. Bestehende Glasfasertrassen werden daher nicht bestmöglich ausgelastet, was die Investitionskosten je Anschluss unrentabel erscheinen lässt.
- Zögerliche Investitionen im Ausbau:
Hohe Ausbaukosten, eine geringe Planbarkeit und angekündigte Ausbauinitiativen von Wettbewerbern machen den Glasfaserausbau eher zu einem langfristigen Investment. Beteiligte AkteurInnen wie Telko-BetreiberInnen, Kommunen & Nachfragende zögern daher teilweise mit einer Entscheidung für die Glasfaser, solange das bestehende Kupfernetz noch nicht voll ausgelastet ist.
- Komplexer Bauprozess auf der letzten Meile:
In vielen Fällen fehlt die Anbindung der letzten Meile, also der direkte Anschluss der Haushalte vom Verteilpunkt an der Straße über das Grundstück bis zum Glasfaser-Router ins Haus. Dies erfordert zusätzliche Bauarbeiten und Investitionen. Um die Faser ins Gebäude zu bekommen und damit nutzbar zu machen, müssen mehrere Beteiligte wie Bauunternehmen, GrundstückseigentümerInnen, HauseigentümerInnen abgestimmt sein.
Open Access als eine Lösungsansatz für höhere Glasfaser-Verfügbakeit
Neben der Vereinfachung und Beschleunigung des Ausbaus durch den Einsatz alternativer Verlegemethoden, wie beispielsweise der grabenlosen Verlegung, bieten auch der offene Zugang zu Glasfasernetzen (Open Access) sowie Joint Ventures und andere Formen der Kooperation Potenziale für die Erhöhung der Glasfaser-Verfügbarkeit.
Im Rahmen von Open Access wird Telekommunikationsunternehmen, die ein vorhandenes Netz nutzen möchten, der diskriminierungsfreie Zugang zur Netzinfrastruktur eingeräumt. Dies bedeutet, dass verschiedene Anbieter die vorhandenen Glasfaserleitungen nutzen können, anstatt eigene zu verlegen. InfrastrukturbetreiberInnen, die Förderungen aus öffentlichen Geldern in Anspruch nehmen, sind auf Antrag dazu verpflichtet [2], die Anschlüsse auch anderen Telko-Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Damit soll dem Überbau und damit der Verschwendung öffentlicher Gelder entgegengewirkt werden.
Folgende Rollen lassen sich in Open Access-Modellen unterscheiden:
- Operating Company (OpCo) & Network Company (NetCo):
Der Infrastrukturbetreibende (z.B. ein kommunales Stadtwerk) ist EigentümerIn des Glasfasernetzes, stellt den Netzbetrieb, den Bau und die Wartung der physischen Glasfaserleitungen sicher. Er vermietet die aktive Glasfaser-Infrastruktur an Telekommunikationsunternehmen (Wholesale).
- Service Company (ServCo):
Das Telko-Unternehmen, welches die aktive Glasfaser-Infrastruktur der OpCo&NetCo in Anspruch nimmt, tritt als ServiceanbieterIn gegenüber den EndkundInnen auf, indem es eine Vielzahl unterschiedlicher Produkte für den EndkundInnen (Internet, TV, Cloud-Speicher) anbietet. Es nimmt die Vorleistungen der Operating Company und der Network Company in Anspruch (Wholebuy).
Warum müssen sich NetzbetreiberInnen mit Open Access beschäftigen?
NetzbetreiberInnen werden sich in den nächsten Jahren verstärkt mit Open Access beschäftigen müssen. Auslöser dafür ist die Neufassung des Telekommunikationsgesetzes mit der Verpflichtung zum diskriminierungsfreien Zugang zu teilweise öffentlich geförderter Infrastruktur. Auch die Bundesnetzagentur (BNetzA) überwacht diese Neuregelung. Erste Telekommunikationsunternehmen wurden bereits dazu verpflichtet, anderen NetzbetreiberInnen Zugang zu bestehenden Infrastrukturen zu gewähren. [3]
Aber auch ökonomische Faktoren spielen eine Rolle: Häufig schaffen es Telko-AnbieterInnen nicht, über ihre eigenen Endkundenprodukte ihre verlegten Leitungen so auszulasten, dass der Business Case rentabel ist. Durch das Öffnen der Nutzung des eigenen Netzes für andere Telko-Unternehmen und damit verbundene Netznutzungsentgelte kann der wirtschaftliche Betrieb des Netzes verbessert, beziehungsweise erst möglich werden. Sowohl Netzbetreibende als auch Anbietende von Glasfaserprodukten an den EndkundInnen können somit von einer Open-Access-Strategie profitieren (siehe Abbildung/Infokasten).
Vorteile für den BetreiberInnen des Glasfasernetzes (OpCo/NetCo):
- Sicherung der Investition: NetzbetreiberInnen können ihre bereits installierten Glasfaserleitungen besser auslasten
- Schutz vor Überbauung durch andere NetzbetreiberInnen
- Höhere Auslastung: Durch die Nutzung durch mehrere AnbieterInnen steigt die Nutzungsrate der Glasfaserleitungen, was die Investition rentabler macht.
Vorteile für Nutzende von fremden Glasfasernetzen (ServCo):
- Erweiterung des eigenen Vermarktungsgebiets: AnbieterInnen von Endkundenprodukten können ohne eigenen aufwändigen Leitungsbau ihre Internet- & TV-Produkte in einem neuen Marktgebiet vermarkten.
- Kostenersparnis: Kein aufwändiger Bau und Betreuung des physischen Netzes nötig da Vorleistungsprodukte (Netzausbau, Betrieb, Entstörung) eingekauft werden.
Vorteile für den EndkundInnen
- Ggf. schnellere Produktverfügbarkeit durch höhere Motivation einer NetzbetreiberIn sein Netz auszubauen
- Gesteigerte Angebotsvielfalt durch Auswahl mehrerer sich konkurrierender Glasfaserangebote (günstigere & bessere Angebote)
Wie sollten sich Netzbetreibende hinsichtlich Open Access positionieren?
Inwieweit sich NetzinfrastrukturbetreiberInnen, wie etwa Stadtwerke, als reine AnbieterInnen des Glasfasernetzes (Wholesale-Only) oder als Anbietende sowohl eines Glasfasernetzes als auch eigener Endkundenprodukte positionieren, hängt von verschiedenen Faktoren und Rahmenbedingungen ab. Dazu gehören neben der Größe und dem Ausbaustatus des eigenen Glasfasernetzes, die strategische Positionierung und Organisationsstruktur des jeweiligen Stadtwerks sowie die Endkundennachfrage und mögliche Glasfaserinitiativen / Kooperationen in der Region. Grundsätzlich können Stadtwerke dabei unterschiedliche Rollen einnehmen:
Einnahme strategischer Rollen
Reiner Wholesale-Anbietender
Reiner Wholebuy-Nachfragender
Anbietende & Nachfragende zugleich (Wholesale & Wholebuy)
Definition
- Reine Vermietung eigener Netz-infrastruktur (Glasfasernetz, Leerrohre) an andere Telko-Unternehmen
- Anbieten von Endkundenprodukten (Internet, TV) durch Nutzung fremder Infrastruktur
- Vermietung passiver Infrastruktur bei gleichzeitigem Anbieten von Endkundenprodukten
Vorteile
- Geringe Marketing-und Vertriebskosten
- Fokus auf GroßkundInnen
- Einfacheres Geschäftsmodell
- Direkter Endkundenkontakt
- Höhere Margen möglich
- Stärkere Kontrolle über Preisgestaltung und Kundenbindung
- Direkter Endkundenkontakt
- Stärkere Kundenbindung
- Diversifikation von Einnahmequellen
- Strategische Positionierung als „Full-Service-Provider“
Nachteile
- Starke Abhängigkeit von GroßkundInnen
- Reine Netzbetreibende mit nur geringem Endkundenkontakt (technische Entstörung)
- Höhere Marketing-und Vertriebskosten im Vergleich zu reinem Wholesale
- Komplexere Kundenbetreuung (Endkundenservice)
- Hohe Komplexität und Initialisierungskosten zur Bereitstellung von Wholebuy und Wholesale gleichermaßen
Herausforderungen für Stadtwerke und Telko-Anbietende beim Aufbau von Open Access
Stadtwerke und Kommunen, die eigene Glasfasernetze verlegt haben, stehen beim Aufbau von OpenAccess vor vielfältigen Herausforderungen. Auf organisatorischer Ebene betrifft das beispielsweise die Initialisierung oder den Anschluss an strategische Kooperationen anderer Stadtwerke (Ausbauinitiativen) sowie möglicherweise eine Aufteilung des Netzbetreibenden in unterschiedliche und eigenständige Gesellschaften (Trennung zwischen ServCo & OpCo). Auf technischer Ebene müssen die bisher innerhalb der Organisationseinheiten verwendeten IT-Systeme, die sowohl ServCo als auch OpCo/NetCo Aufgaben übernehmen müssen, über Schnittstellen und Datendrehscheiben Daten von anderen Organisationseinheiten senden, empfangen und verarbeiten können.
Telko-Anbietende wiederum müssen ihre Kundenmanagement-Systeme (BSS) und ihre Netz-IT (OSS) an die neuen Anforderungen des OpenAccess anpassen. Zudem sind auch dort organisatorische Anpassungen notwendig. So muss beispielsweise im Kundenservice Open-Access-KundInnen (fremde Telkos) 24/7 Entstörung sowie der Betrieb der Netzüberwachung angeboten werden. Auch ist eine genaue Abstimmung in den Bereichen Entstörmanagement und Kontakt zu EndkundInnen nötig.
Bevor sich eine Telko-AnbieterIn dem komplexen Open-Access-Umbau seiner Organisation und IT-Infrastruktur stellt, ist daher ein vorheriges Open-Access-Assessment notwendig. Vor dem eigentlichen Umbau zur Befähigung zu Open Access wird dabei eine organisatorische, technische und kostenmäßige Analyse durchgeführt. m3 unterstützt hier über den gesamten Weg – vom ersten Assessment bis hin zur Umsetzung.
Fazit
Der Glasfaserausbau in Deutschland steht vor großen Herausforderungen, bietet jedoch auch immense Chancen für Stadtwerke und Netzanbietende. Durch den Einsatz von Open Access und die Optimierung von Freigabeprozessen kann der Ausbau beschleunigt und die flächendeckende Versorgung mit schnellem Internet erreicht werden. Langfristig profitieren nicht nur die NetzbetreiberInnen, sondern auch die EndkundInnen von einer verbesserten digitalen Infrastruktur.